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Fluppe und “Boutique”: Reim dich oder ich fress’ dich!

Die Hamburger Band Fluppe bringt das Follow-up zu ihrem Debüt “Blüte”, das 2021 die Indie-Szene in Aufruhr versetzte. Ist “Boutique” also nun wirklich handverlesenes Unikat oder doch nur ein schöneres Wort für Einzelhandel?

Die kürzestmögliche Antwort auf die eingangs gestellte Frage lautet: Ja. Fluppes Zweitlingswerk ist in allererster Linie eine konsequente Fortsetzung und zum Teil auch Weiterentwicklung ihres eigenen Sounds, den schon “Blüte” etablierte. Irgendwo zwischen Indie-Pop und Post-Punk wabert sich das Quartett durch die zehn Tracks, die den Sound der Hamburger Schule mal mehr und mal weniger inbrünstig zur Schau stellen. Spannend wird “Boutique” immer dann, wenn die Band sich sporadisch aus ihrem gewohnten Klangumfeld hinauswagt und neue Spielereien ins Boot holt. “Zerstreut” wartet mit sphärischer Piano-Ästhetik und reduziertem Instrumental auf, das zum Finale des Songs nur ganz subtil, aber dafür umso emotionaler, anschwillt. “Monster” bringt abgespacete Synthie-Arrangements mit, “Paris” schnuppert mit kleinen glitch-Effekten ein wenig tiefer in die alternative Musik hinein und mausert sich so in Kombination mit dem knurrigen Groove und der einzigartigen Gesangsmelodie zu einem Highlight des Albums.

Leider bleiben alle diese Experimente über die Gesamtlänge der Platte doch eben nur Spielereien, die sich letztlich in den allermeisten Fällen dem bekannten Sound der Band unterordnen müssen. Ein bisschen mehr Mut und Konsequenz zum Verschrobenen hätte “Boutique” durchaus gut getan. Vor allem im Zusammenspiel mit den kruden, bisweilen flapsigen Lyrics, die Frontmann Josef Endicott mit unverkennbaren Schneid in der Stimme über die Instrumentierung raspelt, hätte eine wildere Version des Albums sehr viel mehr hergegeben. So bleibt eben der bekannte und bewährte Sound, wenn auch durchsetzt mit einigen Spannenden Aufhorchmomenten.

Bei all der Einzigartigkeit, die Endicott durch seine markante Gesangsmelodie und die oft leicht gedoppelte Stimmproduktion zur Platte beiträgt, ist seine scheinbar geradezu masochistische Unterwerfung und Hingabe dem Paarreim gegenüber nicht weit vom Prädikat nervtötend entfernt. Klar, die Texte sind durchaus verspielt, finden ungewöhnliche Worte und frische Formulierungen, aber muss sich denn wirklich jede verdammte Zeile auf die vorherige reimen?! Zeilen wie “Es waren unbeschwerte Tage, Fässer voll mit Marmelade” oder “Ein jeder träumte von der Liebe, kassierte auch mal Seitenhiebe” rasseln auf der Cheesiness-Piste krachend und schnurgeradeaus durch jede Absperrung in Richtung Kitsch. Grundsätzlich spräche auch nichts gegen den ein oder anderen einfachen Reim, aber in der unglaublichen Frequenz und Redundanz, in der Fluppe das auf diesem Album zu verkaufen versuchen, fühlt es sich einfach nur repetitiv an. Wer über dieses Faktum hinweghören kann, wird mit den verspielteren und frickeligeren Passagen der Platte viel Spaß haben, allen anderen sei “Boutique” in kleinen Dosen ans Herz gelegt, um einer Übersättigung an Haus-Maus-Lyrik vorzubeugen.

Fazit

5
Wertung

Ein paar Reime weniger und ein paar Weirdness-Experimente mehr und “Boutique” würde mich begeistern. So wie es ist bleibt es bei abwechselnden Reaktionen bestehend aus Cringe und Interesse. Fluppe schaffen für mich hier nur einige tolle Momente auf einem ansonsten mittelmäßigen Indie-Album.

Kai Weingärtner
4.8
Wertung

Fluppe machen es sich auf "Boutique" einfach zu einfach. Man wird das Gefühl nicht los, alles auf diesem Album schon einmal woanders interessanter gehört zu haben. "Boutique" selbst bleibt leider ungefähr so gehaltvoll wie Zuckerwatte.

Steffen Schindler